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Wir sind alle Wasserratten

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Damals sind die Menschen in Schlangen zu Johannes in die Wüste gepilgert, um sich seine Donnerpredigen anzuzuhören. Jesus von Nazareth ist auch dorthin gegangen, obwohl er ohne Sünde war und kurz darauf selbst als begnadeter Prediger das Himmelreich verkündete. Der Messias beugte sich dem Ritus der Taufe, die Johannes spendete, und ging gleichzeitig weit darüber hinaus: Die Taufe am Jordan markiert auch öffentlich den Übergang zum Alten zum Neuen Testament. Das habe ich in der Dompredigt zur Taufe des Herrn am Sonntag, den 12. Januar 2014, zu entfalten versucht.

Wir sind alle Wasserratten
zum Evangelium der Taufe des Herrn am Sonntag, 12. Januar 2014
von Domdekan Dr. Bertram Meier, Augsburg

Dass Jesus am Beginn seines öffentlichen Auftretens da drunten am Jordan mitten unter Kreti und Pleti aufkreuzt und sich in eine Reihe mit denen stellt, die sich der Bußtaufe des Johannes unterziehen, verwundert. Doch dieser seltsame Einstieg in Jesu „Karriere“ war den ersten Christen offenbar wichtig, sonst würden nicht alle vier Evangelisten davon berichten. Hat Jesus es denn nötig, sich die Bußtaufe geben zu lassen? Warum lässt sich Jesus taufen, da er doch nichts zu büßen hatte? Oder war es gar ein missionarischer Trick, sich in die Johannes-Jünger einzureihen, um Proselyten zu machen?
Fragen über Fragen. Den Schlüssel für eine Antwort liefert uns die Geographie. Dass Johannes am Jordan tauft, ist kein Zufall. Der Täufer hat sich die Stelle ausgesucht, an der Jahrhunderte vorher Josua die Israeliten in das Gelobte Land geführt hatte. Die Wahl dieses geschichtsträchtigen Ortes spricht Bände. Jesus hat seinen Heimatort Nazareth verlassen und ist zum Täufer an den Jordan gegangen, weil er wusste: An diesem Ort ist einst Großes geschehen, und noch viel Größeres wird sich ereignen.
Wie im Alten Bund die Verheißung des Gelobten Landes sich am Jordan erfüllte, so soll genau an dieser Stelle der Neue Bund öffentlich seinen Anfang nehmen. Der Jordan ist gleichsam das Scharnier zwischen Altem und Neuem Testament. „Ich taufe nur mit Wasser“, sagt Johannes denen, die ihn für den Messias halten. In dem, was er lehrt und lebt, spiegelt sich das Streben der Menschen aller Zeiten, sich selber zu waschen, um möglichst makellos zu erscheinen: ein fast verzweifeltes Bemühen, ein ehrenwertes, korrektes Leben zu führen und die eigene Persönlichkeit zu vervollkommnen. Fazit: ständig vor dem Spiegel der seelischen Toilette, dauerndes Zurechtfrisieren, ein Über-schminken nicht nur äußerer Furchen und Falten im Kosmetikstudio der Psyche.
Trotz aller Anstrengungen fühlen wir uns oft wie Münchhausen, der sich mit dem eigenen Schopf aus dem Schlamassel herausziehen will und doch auf der Nase landet. Deshalb braucht es eine andere „Einweihung“ ins Leben. Wer mit allen Wassern gewaschen ist, umschifft vielleicht die Klippen des Lebensflusses. Doch um uns selbst und zu Gott zu finden, bedarf es einer anderen Taufe. Zu ihr gibt es keinen Zugang, den wir selbst „machen“ könnten. Das ist die Grenze, die der Botschaft des Johannes innewohnt.
Selbst wenn Johannes Jesus tauft, weiß jener, dass sein eigenes Tun nur eine Art Vorspiel ist: „Nach mir kommt der, der stärker ist als ich. (…) Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen“ (Mk 1, 7f.). Diese neue Taufe weiht uns in ein Leben ein, das wirklich lebenswert ist. Taufe aus dem Heiligen Geist meint ein Leben nicht selbst gemacht „von unten“, sondern „von oben“ in Fülle. Ein Funke springt über. Ich bin begeistert, ergriffen, gebannt von einer Person und einem Ziel, erfüllt von Perspektive und Leidenschaft. Ich, der ich vorher frierend in den wohlbeheizten vier Wänden saß, bin plötzlich von innen her durchdrungen und strahle aus.
Wer mit der Taufe des Neuen Bundes getauft ist, der ist nicht mehr nur mit den Reinigungsarbeiten im schmutzigen Lebenssumpf beschäftigt. Er freut sich an der Würde, die er genießt. Im Wasser der Taufe ist der Christ in seinem Ele-ment. Er hat die Seite gewechselt: Aus dem Erdenmenschen wurde – liebevoll gesagt – eine Wasserratte. Gelöst von der Anziehungskraft der Erde lässt der Getaufte sich tragen, gleiten und halten vom Wasser des übernatürlichen Lebens, auch wenn die Wogen des Alltags ihn manchmal zu überspülen drohen.
Wir bräuchten die Taufe nicht, wäre sie für die Kirche nur ein bürokratisches Aufnahmeverfahren. Theoretisch würden dafür auch ein schlichter Fragebogen und eine Unterschrift genügen. Doch die Taufe ist Handeln Gottes, Sakrament. Wir brauchen sie, um als Gottes Sohn und Tochter gerufen und vom Heiligen Geist erfüllt zu werden. Daher sind wir Christen von Anfang an Wasserratten.

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