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Nachfolge zwischen Marktplatz und Wüste

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Am 4. Fastensonntag Laetare feierte Schwester Dominika Meier OSF ihr Silbernes Professjubiläum. Dabei hielt ich in der Klosterkirche St. Elisabeth folgende Predigt:

Nachfolge zwischen Marktplatz und Wüste
Predigt beim Silbernen Professjubiläum von Sr. Dominika Meier OSF
im Kloster St. Elisabeth am Sonntag, den 15. März 2015
von Prälat Dr. Bertram Meier

Immer wieder stoßen wir in der Bibel auf Stellen, die uns geheimnisvoll anmuten. Aber vielleicht muss es so sein: Denn ein Glaube, der nach dem Inhalt greift oder ihn gar mit seiner Vernunft ergreifen will, ist am Ende kein Glaube mehr: Glaube ist im Geheimnis aufgehoben. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich ins Geheimnis hinein zu tasten, gleichsam einzusteigen wie in einen tiefen Brunnen. Die Sprossen, auf denen wir ins Geheimnis einsteigen, sind Bilder und Symbole. Was schwingt mit, wenn wir aus dem Mund Jesu den geheimnisvollen Satz hören: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“ (Joh 3,14f.)? Was kann dieses Wort uns sagen, die wir heute das Silberne Professjubiläum von Schwester Dominika feiern?
Einen ersten Hinweis gibt uns die ägyptische Symbolik. Lesen wir, was im Buch Exodus steht, als Mose die Leitung des Volkes übernimmt: Mose hat einen Stab in der Hand – vergleichbar mit einem Marschall- oder Hirtenstab. Da fragt ihn der Herr: „Was hast du da in der Hand?“ Mose antwortet: “Einen Stab!“ „Wirf ihn auf die Erde!“, sagt der Herr. Da wird der Stab zu einer Schlange, und Mose weicht zurück. Der Herr aber ermuntert ihn: „Streck deine Hand aus und pack die Schlange am Schwanz!“ Mose streckt seine Hand aus und fasst sie am Schwanz. Da wird die Schlange wieder zum Stab. (vgl. Ex 2, 2-4)
Die ägyptische Symbolik sieht in der Schlange ein Zeichen für Macht und Gewalt. Die Schlange steht zudem für List und Tücke. Daher zierten die Kronen der unterägyptischen Herrscher Schlangensymbole. Ganz anders der Stab: Zeichen für Klarheit und Ehrlichkeit, auch Symbol für die Kraft des Wortes Gottes. Wenn nun Mose gefragt wird: Was hast du da in der Hand?, dann wird er vor die Wahl gestellt: Stützt du deine Autorität auf den Stab, d.h. auf mein Wort, auf Gottes Wort, oder setzt du mehr auf die Schlange, d.h. dein Kalkül, deine Strategie, deine Taktik? Mose entscheidet sich: Er setzt auf den Stab.
Jeder, der für andere Vorbild sein will oder soll, steht in der Spannung zwischen Stab und Schlange. Halte ich den Stab hoch, damit die anderen sich an mir orientieren können, oder folge ich dem Kriechen und Schleimen der Schlange? Sie ist letztlich nicht greifbar. Sie entgleitet unseren Händen, weil sie zu glitschig ist. Lasse ich mich festlegen auf mein Wort, oder ziehe ich es vor, mich geschickt durchs Leben zu schlängeln?
Vor 25 Jahren hat Schwester Dominika ihre Entscheidung getroffen. Wer sie kennt, der weiß, worauf sie ihr Leben setzt: auf den Stab. Wer Ihnen, Schwester Dominika, begegnet, spürt Ihre Klarheit und Ehrlichkeit. Schon Ihre Sprache sagt vieles aus: Sie lassen Ihren unterfränkischen Dialekt nicht in ein hochdeut-sches Korsett einzwängen, sondern reden frei heraus, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das mag manchmal überraschend sein, für das Gegenüber sogar unbequem, aber Offenheit und eine Portion Unbekümmertheit haben befreiende Wirkung. Sie brauchen nicht die Diplomatenakademie zu besuchen; Ihre Familie war Ihre erste Lebensschule, wo Sie mit zwölf Geschwistern gelernt haben, sich einzufühlen und gleichzeitig sich zu behaupten. Mögen Sie auch in Zukunft Ihren Weg auf den Stab stützen! Dann wächst Ihnen selbst in schwierigen Momenten die nötige Sicherheit und Kraft zu: „Denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ (Ps 23,4)
Kehren wir wieder zum Ursprungstext zurück. Die Erhöhung der Schlange spielt in der Wüste. Damit tut sich eine weitere Spannung auf: zwischen Wüste und Marktplatz. Gerade das Leben geistlicher Menschen, auch einer Ordensfrau, pendelt zwischen Marktplatz und Wüste. Marktplatz bedeutet Öffentlichkeit, Menschen und Dinge sehen und gesehen werden; sprechen und angesprochen werden; sich von Menschen und ihren Fragen, Sorgen und Problemen berühren lassen; mitten in Geschäftigkeit stehen, Aktion und praktische Tat.
Schwester Dominika ist ein praktischer Mensch mit dem Herzen am rechten Fleck. Sie wurde „mit zwei rechten Händen“ geboren. Was sie in die Hand nimmt – ob Ton, ob Wachs, ob Holz, sie kann daraus gestalten und formen. Ob Kochen oder Backen, ob Waschen oder Gartenpflege, Schwester Dominika ist ganz in ihrem Element. Wir schätzen ihre Spontaneität und Hilfsbereitschaft ebenso wie ihren Einsatz, wenn sie Feuer gefangen hat für einen Menschen oder für eine Aufgabe, die sie begeistert. Auch ihre Hobbies lassen für eine Ordensfrau durchaus aufhorchen: Eine Schwester mit Bayern-Schal, eine Ordensfrau auf einem Motorroller – das hat was! Dabei ist Schwester Dominika alles andere als oberflächlich: Die Führungen im Bibelgarten und das Verzieren von Kerzen von der Taufe über die Erstkommunion bis zum Trauerfall nützt sie als Chance, vor allem jungen Leuten das Evangelium nahezubringen.
Doch neben dem Marktplatz beansprucht auch immer wieder die Wüste ihr Recht. Wüste bedeutet Einsamkeit, Alleinsein, Stille. Die Wüste lädt ein zur Besinnung auf das Wesentliche. Sie kann uns helfen, zur Mitte zu finden. In der Wüste wird der Blick frei für die größere Wirklichkeit, wofür das Herz sich öffnen soll. Wir wissen, wie sehr Jesus selbst Stille und Einsamkeit geliebt hat. Auch uns tut es gut, wenn wir uns regelmäßig in die „Wüste“ zurückziehen, um in der Stille Gott zu begegnen. Liebe Schwester Dominika, ich wünsche Ihnen solche Tage der Stille: Gönnen Sie sich hin und wieder einen Wüstentag! Dann werden Sie noch überzeugender und strahlender auf dem Marktplatz des Lebens zeigen, dass Sie mit Leib und Seele Franziskanerin sind. An Ihnen wird ablesbar, was Jesus im heutigen Evangelium sagt: „Wer die Wahrheit tut (!) – nicht nur lehrt – der kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.“ (Joh 3,21)
„Es ist vollbracht.“ (Joh 19,30). Das sind Jesu letzte Worte am Kreuz. So wird noch einmal unser Bibeltext lebendig: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“ Das Kreuz und die erhöhte Schlange: Das erinnert an das Symbol der Ärzte und Apotheker. Wir denken an den Äskulapstab. Ist nicht der Christus am Kreuz ein siegreich aufgerichteter Äskulapstab? „Ich bin Jahwe, dein Arzt“, sagt schon der Gott des Alten Bundes (Ex 15,26). Und Jesus selbst sieht sich als Arzt, als Heilender, als Heiland, der durchs Land zieht unter dem Motto: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ (Mt 9,12)
Liebe Schwester Dominika, in den vergangenen 25 Jahren haben Sie viel erlebt. Dabei haben Sie erfahren, dass Ordensleben kein Spaziergang ist, sondern auch Stationen des Kreuzwegs kennt. Gerade in solchen Phasen spüren wir, dass Jesus heilt, dass seine Botschaft heilsam sein kann. Im Laufe des Lebens steigen wir ja nicht nur nach Tabor hinauf, sondern müssen immer wieder hinunter ins Tal, vom tristen Trott des Alltags ganz zu schweigen. Unten muss sich bewähren, was wir oben auf dem Gipfel erlebt haben. So wünsche ich Ihnen, liebe Schwester Dominika, dass Sie sich im Herzen eine Vorratskammer anlegen mit Augenblicken der Erfüllung und des Glücks, damit sie auch dann treu ihren Weg gehen, wenn Durchhänger und Schwierigkeiten zu bewältigen sind. Denken Sie immer wieder an das schöne Sprichwort: Die Augenblicke, in denen wir die Zeit vergaßen, vergessen wir nie. - Mögen Sie stets von Mitschwestern und guten Freunden umgeben sein, denen Sie sich anvertrauen können, die Sie begleiten und tragen! Noch einmal möchte ich dazu den Psalmisten sprechen lassen: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.“ (vgl. Ps 23, 3f.)
Zusammen mit Schwester Dominika danken wir Gott für 25 Jahre Treue und erbitten für sie weiterhin viel Freude an ihrer Berufung. Die Worte, mit denen der hl. Franziskus Bruder Leo segnete, gelten heute Schwester Dominika:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Er zeige dir sein Angesicht und erbarme sich deiner.
Er wende dir sein Antlitz zu und schenke dir Frieden. Amen.

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